Inklusion kann auch für kleine Betriebe gelingen. Davon berichtet Daniel Riechmann von der Ruderwerkstatt GmbH in Wetzlar. Das Kleinunternehmen stellt Leichtruderboote her, mit denen sogar Olympia- Wettkämpfe gewonnen werden. Vor rund vier Jahren stellte Herr Riechmann einen neuen Mitarbeiter ein: „Von vorne herein war klar, dass er eine Beeinträchtigung hat; kein Grund ihn nicht einzustellen.“ „Wichtig ist, dass der Mensch zum Betrieb oder die Aufgabe zum Menschen passen“, erzählt Herr Riechmann.
In einer gemeinsamen Veranstaltung vom Kommunalen Jobcenter Lahn-Dill und Beratungsstellen wurden unlängst Arbeitgeber*innen über Angebote zur Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen informiert. Lokale Arbeitgeber brachten ihre Erfahrungen über positive Unterstützung aus der Förderlandschaft mit.
Für eine finanzielle Unterstützung etwa bei der Anschaffung einer speziellen Maschine musste die Ruderwerkstatt einige Anträge gestellt werden. Hierfür die passenden Ansprechstellen zu finden, sei ein teils sehr mühsamer Weg gewesen. „Die Integrationsfachdienste waren hierbei eine große Unterstützung“, sagte Herr Riechmann.
„Man darf sich da nicht von Ängsten leiten lassen. Man muss den Mut haben.“ Mit seinem Beispiel möchte er andere Arbeitgeber*innen motivieren, Menschen mit Beeinträchtigung zu beschäftigen und Unterstützung in Anspruch zu nehmen.
Auch ein langjähriger Mitarbeiter der Outokumpu aus Dillenburg berichtete an diesem Tag von seiner Situation. Aufgrund einer chronischen Erkrankung konnte er nach über dreißig Jahren plötzlich nicht mehr in seinem Arbeitsbereich arbeiten. Die Beratungsstellen halfen aktiv bei den Prozessen zur Umgestaltung seines Arbeitsplatzes, sodass er nun wieder im gewohnten Bereich tätig sein kann. „Auf diese langjährige Erfahrung zu verzichten wäre unvorstellbar und ein herber Verlust für unser Unternehmen gewesen“, so die Einschätzung der Personalabteilung im Unternehmen.
Im Lahn-Dill-Kreis gibt es zahlreiche Anlaufstellen, die über die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung informieren: Integrationsfachdienste (IFD), Integrationsamt (INA), Einheitliche Ansprechstellen für Arbeitgeber (EAA), Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB), die Fachberatung Inklusion bei der Handwerkskammer Wiesbaden, Arbeitgeberservice von Jobcenter und Agentur für Arbeit. Beratungsschwerpunkt liegt sowohl auf Arbeitgeber*innen als auch auf betroffenen Arbeitssuchenden oder Arbeitnehmer*innen.
Die Beratungsstellen bieten Hilfestellungen in individuellen Lagen: Von der Besetzung freier Stellen mit geeigneten Mitarbeitenden über die Begleitung bei der Wiedereingliederung nach längerer Krankheit von Mitarbeitenden, über die Einrichtung eines gesundheitsgerechten Arbeitsplatzes, Konfliktmanagement bis hin zur Hilfe bei der Beantragung von Förderungen.
„Untereinander sind diese Beratungsstellen gut vernetzt“, erklärt Hauptamtlicher Kreisbeigeordneter Stephan Aurand, der unter anderem für die Themen Soziales und Integration im Lahn-Dill-Kreis zuständig ist. Alleinstellungsmerkmal und Paradebeispiel für das gesamtheitliche Denken des Landkreises sei das ämterübergreifende Zentrum für Beratungs- und Eingliederungshilfen des Lahn-Dill-Kreises (ZeBraH).
„Bei der hohen Arbeitslosenzahl ist es unser Auftrag die Menschen passgenau zu vermitteln“, betont Aurand.
„Wir wollen gerne, dass schwerbehinderte Menschen arbeiten gehen können,“ sagt Herr Lambert vom Integrationsamt Hessen und erklärt wie die Ausgleichsabgabe Arbeitgeber*innen unterstützen kann. In konkreten Zahlen erläutert er welche Leistungen Unternehmen beanspruchen können und wann diese gewährleistet werden. Themen wie Kündigungsschutz und begleitende Hilfen im Arbeitsleben wurden ebenfalls angeschnitten.
Katja Flick vom Integrationsfachdienst berichtet über einen wichtigen Inhalt ihres Fachdienstes: „Es geht oft um neue berufliche Perspektiven und Weiterentwicklung.“ Dabei sei es normal, dass in Gespräche sowohl die Arbeitnehmer*innen als auch der Betrieb einbezogen werden: „Es wird gemeinsam nach Lösungen und Möglichkeiten der betrieblichen Weiterbildung gesucht.“
„Es geht häufig um die Sensibilisierung aller Beteiligten“, erklärt Petra Ewerling weiter. Sie informiert über Schulungsangebote in Betrieben, zum Beispiel im Umgang mit psychisch kranken Mitarbeitenden in Betrieben.
Christina Helsper ist Ansprechpartnerin für Menschen mit Hörbehinderungen. Sie berichtet von speziellen Beratungen für hörbehinderte Menschen und dass Arbeitgeber*innen von dem Angebot Gebrauch machen können, Gespräche mit Gebärdensprache begleiten zu lassen.
Die Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB), welche durch das BMAS gefördert wird, wurde von Martina Schlegel vorgestellt. Johannes Krätzer präsentierte die Aufgaben der Fachberatung für Inklusion der Handwerkskammer.
Monika Mundt verwies alle Arbeitgeber*innen auf die einheitliche Ansprechstelle für Arbeitgeber (EAA). Diese hat eine Lotsenfunktion und führt Arbeitgeber*innen bei Ausbildung und Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen durch die vielfältige Förderlandschaft.
Christiane Hegemann, Teamleiterin für Reha und Schwerbehinderung des Kommunalen Jobcenters Lahn-Dill, bedankte sich bei allen Anwesenden für ihr Engagement und Interesse und betonte wie wichtig es ist, dass bei diesem Thema alle an einem Strang ziehen.
Fragt man die eingeladenen Arbeitgeber*innen, was sie aus der Informationsveranstaltungen mitnehmen, sagt Karola Fenderl von Ikea, die mit ihren fünf Kolleg*innen gekommen war: „Für uns tun sich hier neue Welten auf. Sie und ihr Team seien positiv überrascht von den vielen Möglichkeiten und Ansprechstellen. Ikea in Wetzlar beschäftige bereits 10 Menschen mit Beeinträchtigung – allerdings ohne die vorhanden Hilfen in Anspruch zu nehmen.
Auch Reimund Griebel von Sommerlad ist froh, an der Veranstaltung teilgenommen zu haben: „Wir haben momentan 40 unbesetzte Stellen auf unserer Homepage. „Wir können es uns nicht leisten, diese unbesetzt zu lassen.“ Er sei froh, dass er nun wisse, an wen man sich wenden könne.
Infobox:
Die Veranstaltung wurde organisiert vom Kommunalen Jobcenters Lahn-Dill. Beteiligt waren die Agentur für Arbeit, die Behindertenbeauftragte des Lahn-Dill-Kreises, der Fachberater für Inklusion der Handwerkskammer Wiesbaden, der LWV Hessen, die Integrationsfachdienste (Diakonie, Förderverein für seelische Gesundheit) und die einheitlichen Ansprechstelle für Arbeitgeber (EAA) sowie die Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB).